Auf diese Frage eines Schülers der achten Klasse bekennt seine Mitschülerin: „Ich weiß gar nicht, was eine Aktie ist“. Einige MathematiklehrerInnen sehen interessiert dabei zu, wie denn wohl ihr neuer Aushilfskollege auf diese Situation reagieren wird.
Szenen eines gewöhnlichen Mathematikunterrichts? Ganz und gar nicht: Der Unterrichtende ist für die Schüler ein neues Gesicht und steht auch nur ausnahmsweise vor ihnen. Normalerweise arbeitet er dort, wo das große Geld gehandelt wird.
Und so waren auch die Fragen der Schüler zum Thema Aktien naheliegend, denn das Projekt Mathe4Life wurde am Gymnasium Plochingen von der Börse Stuttgart, als Mitgründer der Stiftung Rechnen, betreut. Im Mittelpunkt des Projekts stand, Mathematikaufgaben aus der Praxis mit den Schülern zu rechnen.
Das Gymnasium Plochingen beteiligte sich mit einzelnen Klassen aus der Unter- und Mittelstufe als Pilotschule an diesem Modellversuch. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Börse Stuttgart unter Leitung des Abteilungsleiters Florian Schweer arbeiteten Aufgaben aus, die den mathematischen Berufsalltag an der Börse widerspiegeln. Die MathematiklehrerInnen Juliane Spaich (Leitung auf schulischer Seite), Kathrin Ullmer, Martin Haug und Manfred Hoppe hatten die Aufgabe, im Vorfeld die Tauglichkeit der Aufgaben einzuschätzen.
In Vorgesprächen mit allen Beteiligten wurde die Unterrichtsgestaltung gemeinsam entwickelt. Bei der Durchführung des Projekts an der Schule, für zwei neunte Klassen ging es auch an die Börse, waren die Schulmathematiker Beobachter des Unterrichtsablaufs, um anschließend eine Rückmeldung über die Inhalte, den Zeitablauf und das Konzept geben zu können.
Für alle Beteiligten waren es neue Erfahrungen, die gesammelt werden konnten. Für die MitarbeiterInnen der Börse war es interessant, in die Rolle des Lehrenden zu schlüpfen. Die Lehrerinnen und Lehrer erlebten, wie ihre Schüler mit mathematischen Alltagssituationen umgingen, beispielsweise den ungewohnt großen und aktuellen Zahlen, wie etwa den durchschnittlich rund 1.200.000 Aktien- Kursdateneingängen pro Tag. Prozentrechnung muss ich wiederholen, so das Fazit eines Mathematiklehrers.
Erstaunen löste bei Lehrern und Schülern gleichermaßen die Veranschaulichung des amerikanischen Schuldenberges durch Geldscheine aus. Wie groß wäre dieser Berg, würde man ihn aus 100-Dollar-Noten aufhäufen?
Die Schülerinnen und Schüler hörten Interessantes aus dem Berufsalltag, wurden zum Leiter der IT- Abteilung oder mussten eine lineare Gleichung in ungewohntem Zusammenhang lösen. Als eine Schülergruppe beim Rechnen auf eine Veränderung um 1200% kam, war sie sich sicher „da haben wir doch einen Fehler gemacht, 1200 Prozent hatten wir bei unseren Aufgaben noch nie“. Doch der Projektleiter konnte sie loben: „Ihr habt super gerechnet“.
Das Gymnasium Plochingen kann sich eine Fortführung solch eines Projektes im nächsten Schuljahr vorstellen, bei dem die Eindrücke und Erfahrungen der Beteiligten berücksichtigt werden. Auf jeden Fall gilt es Dank zu sagen dem Projektpartner Stiftung Rechnen und der Börse Stuttgart, die dieses Pilotprojekt initiierte und durchführte.
J. Spaich