Mord im Orient-Express oder: Welche Farbe hat Ihr Morgenmantel?

Hingestreckt durch zwölf Messerstiche wird im Orient-Express, der im Schnee stecken geblieben ist, ein Mann tot aufgefunden. Angeblich handelt es sich dabei um einen amerikanischen Geschäftsmann namens Samuel Ratchett. Doch die Ermittlungen der Meisterdetektivin Florence Poirot (Anna Saur als brillante weibliche Adaption des legendären Hercule Poirot) und ihrer Assistentin Constantine Bouc (Maren Feller als betont nervöse Vertreterin der Eisenbahngesellschaft) enthüllen schnell, dass der Mann nicht der war, der er vorgab zu sein.

Das ist auch bei kaum einem der 13 Mitreisenden der Fall. Und so gibt es eine Menge Arbeit für Madame Poirot, die dem Mörder (oder der Mörderin?) auf die Schliche kommen soll, bis sich die Polizei endlich einen Weg durch den Schnee gebahnt hat.

In Agatha Christies Krimi-Klassiker von 1934, der in der Neubearbeitung des Literatur und Theater-Kurses aufgeführt wurde, weiß der Zuschauer bis zum Ende kaum, wer denn nun für den Toten mit den vielen ungleichmäßigen Messereinstichen verantwortlich ist. Auch die mehrfach gestellte Frage: „Welche Farbe hat Ihr Morgenmantel?“, bringt da nur wenig Licht ins Dunkel.

Dafür ist es umso erhellender, zu sehen, wie sich die junge Truppe unter Leitung von Frau Höfler des Stoffes angenommen hat. Im Vorfeld musste die Romanvorlage für die Bühne stark gekürzt und eine Bühnenkonzeption entwickelt werden. Auch wenn der Darsteller des Ermordeten (Jakob Kress) den Abend wohl fast verschlafen hat, gebührt ihm doch große Anerkennung für seine Rolle. Auch auf die Darstellung der 13 Verdächtigen wurde offensichtlich sehr viel Wert gelegt, was sich auszahlt. Da ist die etwas geschwätzige und dem Alkohol nicht abgeneigte Amerikanerin Caroline Hubbard (überzeugend: Emily Jordan), oder die russische Prinzessin Natalia Dragomiroff (grandios versnobt: Stefanie Kreuzer) und ihre schwäbische Zofe Hildegard Schmidt (immer wieder herrlich genervt dreinblickend: Carina Binsfeld),  oder die starke und gestrenge Britin Hermoine Debenham (Marie Blank) oder all die anderen, oftmals skurrilen Reisenden. Den SchauspielerInnen gelingt es, jeder der Figuren den ihr eigenen Charakter zuteilwerden zu lassen. Einen ihrer Höhepunkte findet diese Figurenkonstellation sicher in der Untersuchung der Gepäckstücke durch die Ermittler, die an die gute alte Stummfilmzeit erinnert.

Auch wenn wir ihnen allen nur das Beste wünschen, und das umfasst in diesem Falle nicht zuletzt das Abitur, ist es doch sehr schade, dass uns fast das gesamte Ensemble demnächst verlassen wird. Vielen Dank ihnen und ihren Mitstreitern, nicht nur für diesen, sondern für so viele, teils erheiternde, teils nachdenklich stimmende, immer aber bereichernde Theaterabende am Gymnasium.